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AutorenbildElla Gabriele Amann

Sind wir zu fixiert auf Lösungen? – Eine kritische Auseinandersetzung mit der Lösungsorientierung in der Future Skills Entwicklung



Lösungsorientierung gehört zu den großen Lernfeldern der Future Skills Entwicklung. Sie wird oft als Schlüsselkompetenz betrachtet, um Herausforderungen im beruflichen und persönlichen Kontext effektiv zu begegnen. Doch was, wenn die Lösung eines Problems nicht wirklich die Lösung ist? Im Kontext der organisationalen Resilienzförderung und der Arbeit als Future Skills Experten begegnen wir immer wieder Situationen, in denen die Lösungsorientierung an ihre Grenzen stößt. Dies liegt häufig daran, dass Lösungsorientierung einseitig interpretiert und missverstanden wird – als ein bloßes Reparieren, Fixen, Wiederherstellen und am Ende ein Zurückkehren zum gewohnten Zustand. In diesem Beitrag möchten wir uns mit einem tieferen Verständnis der Lösungsorientierung auseinandersetzen, das über die reine Problemlösung hinausgeht und Raum für Ambivalenz, Loslassen und neue Denkweisen schafft.

 

Die Wurzeln der Lösungsorientierten Beratung: Steve de Shazer und seine Lehrsätze

 

Steve de Shazer, der Begründer der Lösungsorientierten Beratung, legte mit seinen Ansätzen den Grundstein für eine Beratungsphilosophie, die den Fokus auf Lösungen statt auf Probleme richtet. Zu seinen zentralen Lehrsätzen gehören z.B.


  • Lösung heißt das, was funktioniert, häufiger zu tun.

  • Lösung wirkt selbstverstärkend.

  • Beratende sind Bewunderer von Autonomie.


Diese Lehrsätze ermutigen dazu, pragmatisch und zielgerichtet vorzugehen, um Ressourcen zu aktivieren und Veränderungen zu ermöglichen. Die Lösungsorientierte Beratung hat sich in vielen Bereichen als äußerst wirkungsvoll erwiesen – insbesondere, weil sie den Blick auf die vorhandenen Ressourcen und Stärken richtet und Menschen ermutigt, eigene Lösungen zu entwickeln.

### Grenzen der klassischen Lösungsorientierung und die Bedeutung des Loslassens

 

Doch während de Shazers Ansatz eine wertvolle Grundlage bietet, zeigt sich in der Praxis, dass eine zu enge Fixierung auf „Lösungen“ zu einem problematischen Tunnelblick führen kann. Oft erleben wir, dass Lösungen nicht wirklich nachhaltig sind, wenn sie lediglich darauf abzielen, Symptome zu beheben, ohne die tieferliegenden Dynamiken zu berücksichtigen. In der Resilienzförderung und in der Arbeit mit Organisationen wird deutlich, dass das Streben nach schnellen, funktionalen Lösungen oft an die Grenzen stößt, wenn es um komplexe und unklare Herausforderungen geht.

 

Ein tieferes Verständnis der Lösungsorientierung bedeutet auch, sich vom reinen Reparaturmodus zu lösen und den Mut zu haben, Pfadabhängigkeiten, festgefahrene Paradigmen und überholte Denkweisen loszulassen. Dies ist besonders relevant, wenn sich Führungskräfte, Teams und Mitarbeitende in Situationen wiederfinden, in denen die gewohnten Lösungsstrategien nicht mehr greifen. Hier geht es nicht nur um das Finden neuer Lösungen, sondern auch um das Erkennen und Akzeptieren, dass manche Probleme nicht „gelöst“, sondern nur bewältigt oder transformiert werden können.

 

Der Uneindeutige Verlust nach Pauline Boss und das Leben mit Ambiguität

 

Ein spannender Ansatz, der uns hierbei unterstützen kann, ist das Modell des „Uneindeutigen Verlustes“ von Pauline Boss. Dieser Resilienz-Ansatz hebt hervor, dass es in bestimmten Lebenslagen nicht darum geht, Verluste „zu reparieren“ oder ein klares Ende zu finden, sondern vielmehr darum, mit der Ambivalenz und Unsicherheit zu leben. Dies bedeutet, Lösungen nicht als feststehende Endpunkte zu betrachten, sondern als fließende, wandelbare Prozesse, die Raum für Unklarheit und Widersprüchlichkeit lassen.

 

Dieser Ansatz ist besonders relevant für unsere Arbeit als Future Skills Experten, da er uns daran erinnert, dass nicht jede Herausforderung mit einer klaren Lösung endet. In der Auftragsklärung und im Umgang mit den Erwartungen unserer Kunden müssen wir uns bewusst machen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der Bandbreite und Tiefe des Themas Lösungsorientierung entscheidend ist. Anstatt vorschnell „Lösungen“ zu versprechen, sollten wir den Raum öffnen, um über die Grenzen und Möglichkeiten von Lösungsorientierung zu sprechen. Wir müssen lernen, gemeinsam mit unseren Kunden neue Perspektiven zu entwickeln, die das Loslassen des Alten und das Annehmen von Ambiguität erlauben.


Eine Einführung zum Thema erhältst Du in meinem Facilitator Online-Training "Der uneindeutige Verlust nach Pauline Boss"



 

Lösungsorientierung als Prozess des Sich-Lösens

 

Die Auseinandersetzung mit der Bandbreite der Lösungsorientierung bedeutet, sich zu fragen, was es wirklich heißt, lösungsorientiert zu arbeiten. Es geht darum, nicht nur Lösungen im Sinne von „Reparatur“ anzustreben, sondern auch darum, das Loslassen und Neudenken zu fördern. Lösungen müssen nicht immer konkret und abschließend sein; manchmal liegt die wahre Lösung im Akzeptieren, im Annehmen des Nicht-Wissens und im Mut, sich auf neue, unklare Wege einzulassen.

 

Für uns als Future Skills Experten und Berater:innen bedeutet dies, dass wir unsere eigene Haltung zur Lösungsorientierung immer wieder reflektieren und erweitern müssen. Wir sind gefordert, über die klassischen Modelle hinauszugehen und Lösungsräume zu schaffen, die nicht nur auf Funktionalität, sondern auch auf menschliche Erfahrung, Unsicherheit und das Zulassen von Widersprüchen ausgerichtet sind.

 

Lösungsorientierung neu denken

 

Die Frage „Sind wir zu fixiert auf Lösungen?“ fordert uns heraus, unser Verständnis von Lösungsorientierung neu zu denken. Es geht darum, das Spektrum dieses Ansatzes zu erweitern und den Mut zu finden, auch das Loslassen, die Ambiguität und das Ungewisse als wertvolle Bestandteile des Lösungsprozesses zu erkennen. In unserer Arbeit als Future Skills Experten sollten wir diesen erweiterten Ansatz leben und in die Auftragsklärung und das Coaching mit unseren Kunden einfließen lassen. Denn manchmal ist die wahre Lösung eben nicht das Finden einer konkreten Antwort, sondern die Bereitschaft, sich auf den Weg ins Unbekannte einzulassen – mit all seinen Herausforderungen und Möglichkeiten.


Ressourcen im Future Skills Online-Campus

 

Das Handout "Der lösungsorientierte Ansatz nach Steve de Shazer and Insoo Kim Berg." findest Du im Future Skills Online-Campus.



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